Dass Kolumbien so ziemlich alles kann, wird mir langsam klar. Metropole gesucht? Here we go: Bogotá, Medellín, Cali. Karibikküste? Wie wäre es mit Bahía Solano oder Cartagena? Lieber ein bisschen Wandern? Her mit den Anden! Und wer traut sich in den Dschungel? Der darf jetzt mit mir kommen, und zwar in den Amazonas nach Leticia, wo das Dreiländereck Kolumbien, Peru, Brasilien auf uns wartet!
Im Landeanflug auf die Stadt Leticia sehe ich minutenlang auf ein dunkelgrünes Meer hinab. Ich kann nicht begreifen, dass dies alles unter mir mehr oder weniger unberührter Regenwald sein soll – und schätze mich unglaublich glücklich, noch bevor ich Boden unter den Füßen habe.
Leticia ist ein Ort voller Trubel, Musik und Festivitäten, der einige schöne Hotels zu bieten hat. Von hier aus kann man verschiedene Touren in den Urwald machen, beispielweise Tagestrips, für all diejenigen, die am Abend eine kalte Dusche und saubere, weiße Laken zu schätzen wissen. Auch dreistündige Nightwatches, bei denen man so einigen Tieren über den Weg laufen soll, sind sicherlich für den ein oder anderen das perfekte Abenteuer. Diejenigen, die den Amazonas in seiner größten Vielfalt am Tag und in der Nacht erleben möchten, können mehrere Übernachtungen in verschiedenen Reservas buchen, zum Beispiel dem Marasha. Dort bin ich zwar nur zum Tagestrip gewesen, es stellt sich aber als das beste Erlebnis meiner Reise heraus.
Man hört viel vom Regenwald. Negativschlagzeilen über Abholzungen und beängstigende Prognosen bezüglich seiner Zukunft. Vielleicht sollte man ihn sich anschauen, bevor es irgendwann zu spät ist, dachte ich mir.
Ich komme mit dem Boot auf der peruanischen Seite an und als ich den ersten Schritt im Gummistiefel hineinwage, möchte ich trotz der Schwüle nicht mehr heraus. Tausende von Vögeln begleiten das leise Kanu durch überflutete Gebiete mit ihrem Singsang und ihrer Kommunikation untereinander. Dazwischen reiht sich eine unbezahlbare Stille ein. Pure Natur, pure Unberührtheit und niemand stört die Perfektion des Kreislaufs – bisher.
Nach 30 Minuten komme ich am Reserva an und mir wird ein leckeres Mittagessen serviert. Danach beobachte ich nicht nur den schwallartigen Regenguss von meiner Hängematte aus, sondern rieche und vor allem höre ihn. Noch nie fand ich Regen so schön, noch nie habe ich mir gewünscht, er würde länger herunterprasseln.
Vort Ort gibt es noch einiges Weitere zu entdecken: Ich beobachte einen Tukan und zwei schlafende Papageie und fahre mit dem Kanu weiter, bis zu einem Baum, der stolze 487 Jahre zählt und einen Wurzeldurchmesser von 30 Metern trägt. Ich lege meine Hand auf die Rinde und hoffe, dass die „Mama vieja – die alte Mama“, wie er von den Einwohnern genannt wird, mir etwas von seiner Stärke und Weisheit abgibt.
Leticia klingt nach, zumindest für mich. Ich habe mich schon längst verliebt in die Vielfalt Kolumbiens und kann den Regenwald den Menschen ans Herz legen, die sich endlich mal wieder auf die wichtigen Dinge des Lebens besinnen wollen.
Route zum Nachreisen: Von Bogotá aus mit dem Flugzeug nach Leticia. Unterkunft beispielsweise im Hotel Waira Suites. Tour: Marasha Tour, ebenfalls zu empfehlen: ein Tag im Park Tanimboca.
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